Meine Unterkunft sieht exakt so aus, wie ich es aus dem Netz und zahlreichen Reiseberichten bereits kenne. Dreißig Flats für je 4 Personen, von denen sich jeweils zwei Küche und Bad teilen. Sie sind alle sehr spartanisch eingerichtet: Tisch, Schreibtisch, zwei Stühle, Nachtschrank und ein Kleiderschrank. Das Bett wirkt irgendwie als wäre es ein Sofa aber es ist sehr gemütlich. Jedoch offenbart sich direkt das erste kleinere Problem: weder Decke noch Kissen sind vorhanden, es ist Samstagabend in einer Stadt, in der ich mich absolut nicht auskenne, und es steht die kälteste Nacht der letzten acht Jahre bevor (4°C). Im Vergleich zum deutschen Winter eher lächerlich, aber ohne Heizung doch etwas grenzwertig.
Im Licht der untergehenden Sonne (die hier ja aktuell schon 17:20 Uhr verschwindet) wirkt die Ansammlung der kleinen Bungalows auf mich sehr friedlich und irgendwie wunderschön. Kaum zu glauben, dass Annie's Cove, so nennt sich diese Unterkunft, als DIE Partyhochburg schlechthin unter den Studenten gilt (was sich später jedoch bewahrheitet). Allerdings sind aktuell auch die meisten Studierenden zu einem Orientation-Weekend aufgebrochen und die einheimischen befinden sich noch eine Woche in den Semesterferien. Also erstmal als allein erkunden. Meine Unterkunft befindet sich direkt zwischen den beiden abgestellten Fahrzeugen in der Mitte des Bildes, der Pool ist direkt dahinter. Das ganze Gelände ist von einer Mauer umgeben und wenn sie nicht gerade streiken, dann sind auch Securities direkt vor Ort. Aktuell gibt es noch einen Wäsche-Service, der für umgerechnet vier Euro ein Kilo Wäsche säubert und diese trocken und gefaltet noch am gleichen Tag zurück bringt. Demnächst werden allerdings eigene Waschmaschinen und Trockner aufgestellt, das dürfte ein riesiges Chaos werden.
Marius, der sogenannten Landlord dieser Unterkunft, zeigt mir alles, vor allem unser MONSTER. Als solches wird ein Kasten an der Seite jedes Gebäudes bezeichnet, in dem sich der Schaltkasten dessen befindet. Denn Strom zu bekommen läuft hier etwas anders: Man schreibt sich die Zählernummer auf, geht in den nächsten Supermarkt oder eine nahegelegene Tankstelle und kauft sich quasi einen Beutel voll Strom. Den Pin auf dem dort erhaltenen Kassenbon tippert man anschließend in das Monster ein und - ZACK - Strom. Mich interessiert der Blick einer deutschen Aldi-Kassiererin, wenn ich bei ihr etwas Elektrizität kaufen möchte. Des weiteren musste ich sehr schnell feststellen, dass, sofern nicht benötigt, die Sicherungen für heißes Wasser abgestellt werden. Das bedeutet man sollte schon möglichst eine Stunde vorher wissen, dass man duschen möchte. Da bekommt man mit dem Satz: "Ich gehe nu schnell duschen." direkt die südafrikanische Zeitrechnung mitgeteilt.
Nachdem Marius so nett war mich am nächsten Supermarkt abzusetzen wird mir bewusst, dass hier nicht nur auf der falschen Seite gefahren, sondern im Discounter auch auf dieser gelaufen wird. Der Superspar wirkt eigentlich wie ein deutscher Supermarkt, jedoch gibt es Einschränkungen. Zum einen gibt es alkoholische Getränke nur in den Liquor-Shops, zum anderen bekommt man alles eingepackt, den Wagen bis zum Auto geschoben und nach dem Einladen auch wieder weggebracht. Alles natürlich gegen ein kleines Trinkgeld. Aber dieses beträgt meist zwischen drei und fünf Rand, also keine dreißig Cent. Nach dem ersten Einkauf stehe ich allerdings noch immer ohne Bettwäsche da. Meine einzige Rettung, die mir einfällt, ist der sagenumwobene Karl. In jedem Bericht und bei jedem Vortrag wurde der deutsch sprechende Autovermieter ausdrücklich empfohlen. Die Nummer hatte ich mir glücklicherweise schon vorher geben lassen. Also schnell angerufen, kurz geplaudert, und Abholtermin und -ort vereinbart. Der Rückweg zur Unterkunft ist eigentlich nur erwähnenswert, da ich fast eines grausamen Todes gestorben wäre, überfahren von einem verrosteten Golf. Man muss halt auch beim überqueren der Straße in eine andere Richtung schauen.
Und dann kommt KARL. Mit der Tochter auf dem Beifahrersitz in seinem luftgekühlten 911er direkt von der Rennstrecke. Genial. Durch die ganze Stadt rasend brauchen wir etwa fünfzehn Minuten bis zu seinem Haus und Arbeitsplatz. Ich glaube es ist das einzige Haus ohne Elektrozaun im ganzen Land. Ich lerne direkt seine gesamte Familie kennen, seine Eltern (aus Deutschland eingewandert), seine Tochter und seinen Sohn und direkt auch noch Freunde der Familie. Sogar eine Esseneinladung bekomme ich noch. Mein neues Fahrzeug für die nächsten Monate bekomme ich direkt gezeigt: ein Golf I. Ich bin richtig verliebt in dieses kleine Raumwunder! Der besitzt für einen Kaltstart sogar noch einen Choke, den ich sonst eigentlich nur aus dem Trabant kenne.
Zunächst auf der falschen Seite einsteigend versuche ich, mich direkt an die differente Fahrsituation zu gewöhnen. Aber es funktioniert. Ich suche zwar des öfteren den Ganghebel und ab und an drifte ich mal auf die "falsche" Seite, aber man gewöhnt sich schneller daran als erwartet. Auf Karls Rat hin fahre ich direkt auf die Autobahn und in ein europäisch anmutendes Einkaufszentrum, die Bay West Mall. Hier bekomme ich alles benötigte für eine warme Nacht, und das auch noch zum halben Preis. Wobei man sich hier nicht unbedingt über Preise beschweren kann. Den Abend verbringe ich auf südafrikanische Art im Deutschen Klub bei Bier, Schnitzel und Fußball gemeinsam mit einigen sehr netten und unterhaltsamen älteren Herren, welche früher oder später aufgrund der Arbeit hierher kamen und wegen des Wetters geblieben sind. Ziemlich übermüdet geht es jetzt erst einmal ins Bett. Schauen wir mal, was ich träume. Das soll ja bekanntlich in Erfüllung gehen.
Geschaffte Grüße,
Paul
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Der Sachse (Mittwoch, 14 September 2016 20:58)
Na so ein modernes Auto hattest du doch nicht mal in Deutschland... ;)
Paul (Montag, 17 Oktober 2016 13:12)
Der hat nen Comfort-Blinker, das hat meiner tatsächlich nicht :D