In den letzten Wochen bietet sich hier ein echt unglaubliches Schauspiel: Streik. Seit drei Wochen ist die Uni geschlossen. Reifen werden verbrannt, Studenten verhaftet, mancherorts wurden sogar Gebäude der Universität abgefackelt. Es wird gemunkelt, dass mittlerweile auch schon zwei Menschen gestorben sind. Und alles, um die Studiengebühren zu senken oder ganz abzuschaffen. Naja, da wird sicherlich noch mehr dahinterstecken. Via Whatsapp und über andere Kanäle erreichen uns auch immer wieder ziemlich beunruhigende Nachrichten, heute wurde verkündet, dass die Proteste weitergehen, bis mindestens ein(e) weiße(r) Student(in) getötet wird...die haben sie nicht mehr alle hier. Na schauen wir mal, wie sich das ganze entwickelt, eventuell muss das ganze Semester hier abgebrochen werden.
An einem arbeitsfreien Wochenende beschlossen wir, in einer riesigen Gruppe nach Mossel Bay zu fahren. Mossel Bay ist ein relativ kleiner Küstenort auf halber Strecke Richtung Kapstadt. Die Fahrt gestaltete sich etwas schwieriger, da ich zunächst den langen, holperigen, langsamen Weg einschlug, anstatt einfach die Autobahn zu nehmen. Nach aufregenden sechs Stunden, in denen ich auch das erste Mal mit Mensch und Tier auf der Fahrbahn und deren sehnlichsten Todeswunsch Bekanntschaft machte, erreichten wir pünktlich zur Abendessenszeit unsere Unterkunft: einen alten ausrangierten Zug mitten am Strand. Ich glaube es gibt kaum etwas cooleres. Die Lokomotive wurde durch Rezeption und ein kleines Restaurant mit Bar ersetzt, aber ansonsten war es Reisefeeling pur. Winzige Schlafabteile, welche alle zum Strand und Meer hin ausgerichtet waren, Toilette und Dusche auf dem Gang, jeder Schritt der Nachbarn ist zu hören...einfach klasse.
Ich bin endgültig angekommen: immer wenn ich Leute auf der rechten Fahrspur fahren sehe denke ich : "Da läuft irgendetwas falsch!". Ich habe ehrlich nicht gedacht, dass das so schnell geht. Mittlerweile hat jetzt auch hier größtenteils der Alltag Einzug erhalten. Die Internationals werden des Feierns müde, lediglich an den Wochenenden wird hier noch regelmäßig dem Alkohol gefrönt. Hier läuft das Studium für die meisten auch etwas anders ab als daheim: Tests gibt es beinahe jede Woche, und wenn das nicht, dann gibt es Hausaufgaben, Essays, Hausarbeiten, Präsentationen und Vorträge zu bearbeiten. Zum Glück sieht das bei mir noch etwas besser aus. Aber auch ich bin geschafft, wenn ich nach acht bis neun Stunden vor dem Laptop im Büro Feierabend mache. Oftmals wird dann in der Unterkunft noch weiter gearbeitet, solange, bis dann abends nur noch Zeit zum skypen mit den Liebsten und eventuell noch für einen Film ist.
An diesem Freitag konnte ich das erste mal feststellen, dass die südafrikanische Jugend genauso feierwütig ist wie die europäische. Wenn zunächst auch auf der Welcome-Party nur die Internationals aus Deutschland, Frankreich, Italien, Norwegen und den USA gemeinsam mit ihren Guides feiern, lernen wir dort auch zwei Locals kennen, welche sich durch einfaches Redetalent auf die Feier quatschten. Diese beiden machen richtig Stimmung und nehmen uns anschließend noch mit in einen Club Namens Beershack. Eine recht kleine Bar direkt am Strand, in der wir einfach nur die Zeit genießen und uns fallen lassen...und unser Freund von der Elfenbeinküste sich so betrinkt wie noch nie zuvor, wie er später berichtet.
Nachdem am Sonntag die ersten Gehversuche in PE unternommen wurden und die Studenten so langsam im Annie's Cove eintrudelten startet am Montag die Orientation Week. Dabei geht es zunächst einmal zur Registrierung. Ich denke, in Sachen Bürokratie kann Südafrika durchaus mit Deutschland mithalten. Egal, wo wir sind, hat es mit der Uni zu tun müssen mindestens zwei Listen mit Namen und Unterschrift abgesegnet werden. Im Anschluss gibt es eine Opening Ceremony, wobei wir uns in einem Hörsaal bei gefühlten minus zehn Grad den Hintern abfrieren. Es spricht der Leiter des International Office zu uns und es werden sämtliche Gremien und Ansprechpartner vorgestellt. Es werden die Krankenversicherungsausweise und Broschüren verteilt, es gibt Belehrungen, Informationen über die Unterkünfte und Sicherheitshinweise. Letzteres wird hier anscheinend sehr ernst genommen. Nach der ersten Woche hat man das Gefühl, als wären alle Augen auf einen gerichtet und an jeder Ecke wartet schon jemand darauf, dich auszurauben. Zumindest wenn man den täglichen Belehrungen, Hinweisen und Ratschlägen glauben darf. Ich denke, dass, wenn man die Sache mit gesundem Menschenverstand angeht, eigentlich so gut wie nichts passiert. Wobei natürlich direkt an diesem Montag die erste Kreditkarte gestohlen wird. Dies soll aber erst einmal der einzige Vorfall bleiben. Und seien wir mal ehrlich: wer lässt sich am Bankautomaten von Fremden helfen...